Piano Centrum Rostock

Yamaha Natural Wood
eine Marketing-Studie am Fallbeispiel der Yamaha-Digitalpianos

Bei Digitalpianos ist das Qualitätskriterium, welches – neben der Klangwiedergabe – für das Instrument begeistert und eine Kaufentscheidung begünstigt, vor allem eines: die Tastatur — Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine. Hier gibt der Pianist dem Instrument zu verstehen, was er auszudrücken gedenkt. Ist diese Schnittstelle von geringer Qualität, leidet die Expressivität, das Spielgefühl und schlussendlich das gesamte musikalische Erfahren. Daher wird bei vielen Herstellern Wert darauf gelegt, diese Tastatur im preislichen Rahmen so naturgetreu und so nahe wie möglich an der Klaviatur eines echten, akustischen Instruments zu gestalten. Unter anderem geschieht dies durch den Einsatz von Holz, dem in Tastaturen »echter« Klaviere verwendeten, idealen Material. Komplett aus Holz bestehende Tasten (Vollholztastatur) erhöhen die Langlebigkeit der Klaviatur – und damit des gesamten Instruments – ungemein, verbessern das Spielgefühl und dämpfen das mechanische Geräusch des Spiels.

Zunehmend verlagert sich der Verkauf von Digitalpianos jedoch in den Fernabsatzmarkt, soll heißen: Man verlässt sich zunehmend auf Eindrücke, (gekaufte) Meinungen und den Informationswust, welcher das Web zu bieten hat und kauft auf dieser Grundlage auch dort ein, ohne sich im Fachhandel beraten lassen zu haben oder – noch viel wichtiger – das Instrument auszuprobieren.

Naturgemäß entstehen in solch einem unreflektierten Datenfluss teils sagenhafte Überlieferungen, einerseits durch fehlerhafte Übersetzungen, andererseits aber auch durch gezielte Fehlinformation.

Eines dieser »modernen Marketing-Märchen« lautet:
»Einige Yamaha-Digitalpianos der Clavinova-Reihe haben Holztastaturen.«

Mit diesem Mythos müssen wir – da wir uns immer wieder damit konfrontiert sehen – aufräumen. Nein, die Clavinovas haben höchstens eine Kunststoff-Tastatur und -Mechanik, bei welcher in den etwas höherpreisigen Modellen (CLP-745, CLP-775, CLP-785, CLP-795GP, CVP-805, CVP-809, CSP-170 etc.) verbauten Varianten Holzblöcke in den weißen (und auch nur dort) Kunststoff-Tasten enthalten sind. (Yamaha nennt diese Tastaturen Grand Touch und Natural Wood.) Dies hat allerdings keinerlei Einfluss auf die Langlebigkeit der Taste (weiterhin Korpus und fragile Aufhängung aus Kunststoff) und hat – nüchtern betrachtet – nur einen visuell-ästhetischen Zweck: dem Kunden Qualität vorzugaukeln.

»Natural-Wood«-Taste (Quelle: jve im Piano World Forum)
»Natural-Wood«-Taste

Einzig die digitalen »Hybrid-Instrumente« Yamahas (AvantGrand) weisen aufwändige Vollholz­tastaturen mit realistischer Mechanik auf. Diese sind allerdings vergleichsweise teuer (zwischen 5.597,- und 21.223,- €) und die Mechanik entwickelt aufgrund ihres realistischen Designs einen enormen Lautstärke-Pegel. So sehr, dass man sich als potenzieller Käufer fragen muss, ob ein akustisches Klavier mit digitaler Erweiterung/Stummschaltungs­technik (eben ein echtes Hybrid-Piano) nicht doch mehr Sinn ergäbe.

Wie entsteht solch ein Irrglaube?

Eine rühmliche Ausnahme in der folgenden Kette der (gezielten) Verwirrung bildet der Clavinova-Katalog in gedruckter Form. Auch wenn dieser seitenlang schwammige Formulierungen aneinanderreiht und vorteilhaft angeschnittene Fotographien präsentiert, ist nirgends von Vollholztasten zu lesen. Die exakte Formulierung – wenn es denn mal sachlich wird – lautet: »weiße Tasten mit Holzelementen«. Die Formulierung im englischen Katalog ist ähnlich exakt, indem sie verlautet, dass »wood is used for the white keys«.

Katalog-Ausschnitt (Quelle: Yamaha)
Ein einziges, kleines Bild lässt erahnen, wie diese Elemente aussehen könnten (auch wenn es bei der Abbildung um andere Eigenschaften der Tastatur geht). Ansonsten wird viel mit Symbolbildern gearbeitet.

Doch schon an anderer Stelle im Katalog (die Modellübersicht auf den letzten Seiten) ist man dann weniger präzise. Hier ist von »wooden keys« die Rede, was direkt übersetzt »hölzerne Tasten« bedeutet und daher eigentlich Tasten aus Holz meinen müsste. In eine ähnliche Kerbe schlagen sowohl die deutschsprachige als auch die englischsprachige Yamaha-Website. Diese verkünden ganz klare Fehlinformationen: »Die weißen Tasten sind aus Holz«, »Holztastatur«, »Die weißen Tasten bestehen aus echtem Holz, so wie die Tasten eines echten Flügels auch aus Holz bestehen.« und sogar »Die schwarzen Tasten sind bei allen Modellen der CLP-600 Serie aus Ebenholz.«

Bildschirmabdruck (Quelle: Yamaha)
»Die weißen Tasten sind aus Holz«
Bildschirmabdruck »Natural-Wood«-Abbildung und gegenteiliger Text (Quelle: Yamaha)
Eine weitere, schwer zu findende Abbildung, welche die Konstruktion der Natural-Wood-Tastatur erahnen lässt. Der zugehörige Text wiederum konterkariert das Bild mit einer Falschaussage.
»Natural-Wood«-Abbildung (Quelle: Yamaha)
Dieses kleine Bild illustriert sehr gut die Methodik beim Transport von Werbebotschaften. Der Bereich in der Taste ohne Holz-Anteil wird mithilfe eines dunklen Verlaufs kaschiert, sofern man ihn nicht gleich abschneidet.

Diese Schwammigkeit und Fehlinformation schlagen sich dann nieder in einigen unreflektierten Äußerungen in der Fachjournaille und zu Tausenden in Meinungsportalen und ähnlichem.

Zeitschrift-Ausschnitt (Quelle: Okey Nr. 138)
Ausschnitt eines Artikels über aktuelle Clavinova-Modelle

Und nun?

Vielleicht hilft diese Dekonstruktion im Kleinen beim Hinterfragen von Produktpräsentationen und Werbesprech auch im Großen. Auch wenn es ein Kampf gegen Windmühlen sein kann: Marketing-Gläubigkeit ist ein Zeichen unserer Zeit. Das Bombardement mit Werbung und ihren Versprechungen braucht einen dagegenhaltenden, wachen Geist.

Der betriebene Aufwand der Marketing-Abteilung von Yamaha lässt vermuten, dass man lieber ein teures Digitalpiano verkauft, als ein preiswertes Klavier. So kommt der Kunde wesentlich früher in die Verlegenheit, erneut ein Instrument zu kaufen. Was hier der Industrie nützt, ist für den Käufer kein Vorteil. Dieser würde eher profitieren, wenn man ihm vor allem ein langlebiges und dadurch im Wert stabiles Instrument anbietet.

Beim Kauf eines Instrumentes verlassen Sie sich vor allem auf Ihr Gefühl beim Ausprobieren vor Ort und finden Sie einen ehrlichen, verlässlichen Ansprechpartner. Sei es der wirkliche Fachhandel oder ein kundiger Experte, der keinen finanziellen Anreizen folgt.

»Grand-Touch«-Taste